Neben dem jüdischen Friedhof und dem Stammhaus der Warburgs in der Joseph-Kohlschein-Straße gibt es nur
wenige Orte, die an die große jüdische Gemeinde - ihr Anteil an der Stadtbevölkerung betrug 1802 rund
zehn Prozent - erinnern. Die Synagoge, die der Gemeinde seit 1714 zur Verfügung stand, blieb zwar
während der Pogromnacht erhalten, wurde jedoch anschließend mehrfach umgebaut. In der Bernhardistr. 23
wohnte später Jacob Flechtheim, an den ein steinerner Inschriftbalken erinnert. Dessen Söhne errichteten
die erste Privatbank in Warburg.
Ganz besonders wichtig war dann 2011 der zufällige Fund einer Mikwe im Gewölbekeller des
Glockengießerhauses in der Altstadt. Obwohl man wusste, dass dieses zum Ende des 16. Jahrhunderts
errichtete Fachwerkhaus von jüdischen Familien bewohnt worden war, hatte man das rituelle Tauchbad, das
wohl vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt wurde, dort nicht vermutet.
Eine der wichtigsten Institutionen jeder jüdischen Gemeinde ist die Mikwa oder Mikwe, das rituelle
Tauchbad. Vielen ist es nicht bekannt, aber die Mikwe ist so essenziell und bedeutend, dass ihr Bau
sogar Vorrang vor der Errichtung einer Synagoge hat. So steht es im Talmud (Megilla 27a), so sieht es
die Halacha, das jüdische Religionsgesetz (Igrot Mosche, Choschen Mischpat 1,42), vor.
Der Grund dafür ist, dass man nur in der Mikwe die vorgeschriebene rituelle Reinigung vornehmen und dass damit – wie gleich erläutert wird – die Zukunft einer jüdischen Gemeinde gesichert werden kann. Hingegen können Gebete rein theoretisch in einem anderen Raum verrichtet werden, wenn es keine Synagoge gibt.
Die jüdischen Reinigungsgesetze schreiben vor, dass eine Mikwe ausschließlich mit Grund-, Regen- und Quellwasser oder fließenden Gewässern aus Bächen oder Flüssen gespeist werden darf. Diese Bedingung erfüllt der Standort im Keller des Glockengießerhauses. Feuchteschäden im Mauerwerk waren auch die Ursache dafür, dass man die Mikwe überhaupt entdeckt hat.